Der passende Schlüssel

Ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich hineingeht, wird er gerettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden. Joh. 10,9 (Schlachter 2000)

 

Tomasz* genoss die frische Herbstluft, als er mit seinen zwei Kindern über das Feld spazierte. Es war einer von diesen Tagen, die sich unwiderruflich in das Gedächtnis einmeißeln und mit ihren kleinen Details für immer in lebhafter Erinnerung bleiben. Noch heute spürt er die Sonne auf seinem Gesicht. Es war ein warmer und wunderschöner  Herbstsonntag........bis das Handy in seiner Tasche zu klingeln begann:

„Tomasz, komm bitte nach Hause!“, die Stimme seiner Frau klang verändert.

„Ist etwas passiert?“

„Komm bitte einfach nur nach Hause! Sofort!“

Als Tomasz kurze Zeit später in das Gesicht seiner Frau blickte wusste er, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.

„Ruf bitte deine Eltern in Polen an. Sie sollen es dir sagen. Es geht um deinen Bruder.“

Eine unvorstellbare Schwere breitete sich in Tomasz aus, als er von dem Hausbrand erfuhr und von der erdrückend hohen Wahrscheinlichkeit mit der sein Bruder in den Flammen ums Leben gekommen war.

Und auch der letzte Funken Hoffnung verlöschte, als wenige Tage später die Polizei seinen Bruder als Opfer des Brandes identifiziert hatte. Von einem Moment auf den anderen war ein Leben erloschen. Das Leben seines einzigen Bruders.

Bis zu diesem Zeitpunkt  lebte Tomasz ein traditionell religiöses Leben. Er wusste, dass Gott die höchste Autorität im Leben eines Menschen ist. Er bemühte sich dieser durch gute Taten zu entsprechen. Er betete, verehrte die Heiligen und besuchte die Kirche, um Gerechtigkeit zu erlangen. Aber der plötzliche Tod seines Bruders führte Tomasz die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Er musste sein Leben verändern. Was, wenn dieser Unfall zu Gottes Plan gehörte?

Jedoch spürte er nicht nur die Last des eigenen Lebens auf seinen Schultern liegen. Mit Schrecken dachte er an seinen Bruder, der im Fegefeuer weiter brannte und vielleicht nur durch ihn Erlösung erlangen konnte.

So wurden Tomasz Gebete häufiger, länger und intensiver. Der Gedanke an seinen Bruder trieb ihn an und lies ihn in einen religiösen Wahn verfallen.

„Tomasz, wenn du mehr über Gott erfahren möchtest, kann ich dir einen Ort sagen, wo du vielleicht verstehen wirst, was dich von Gott noch trennt. Wir treffen uns und lesen gemeinsam ein Buch, das den Gott der Bibel und seinen Plan für unser Leben erklärt. Komm doch dazu.“

Dieser Einladung von einer vertrauten Freundin kam Tomasz nach. Es schadete nichts, noch mehr über Gott zu erfahren.

Der Bibelkurs hatte schon angefangen, als sich die Tür öffnete und Tomasz den Raum betrat.

„Ich möchte hier Gott kennenlernen,“ erklärte Tomasz und setze sich in die Runde.

Zunächst besuchte Tomasz den Kurs unregelmäßig. Doch als dann nach Abschluss der letzten Lektion ein neuer Bibelkurs begann, besuchte er diesen gemeinsam mit seiner Frau.

Tomasz hörte den 15 Lektionen interessiert zu und verstand nach und nach wer Jesus Christus wirklich war. Abend für Abend gingen sie als Gruppe durch das Buch „Der Fremde“ und lasen viele Stellen aus der Bibel. Zunehmend veränderte sich das Bild, das Tomasz bisher von Gott gehabt hatte.

Die von Reliquien geprägte Kirche besuchte er jedoch parallel weiter und kämpfte durch Gebete und fromme Handlungen um das Seelenheil seines verstorbenen Bruders. Die Vorstellung, ihn im Fegefeuer brennen zu lassen trieb ihn zu einer Pilgereise an einen heiligen Ort in Polen. Hinter dem geweihten Altar des Wallfahrtortes ging er lange Zeit auf Knien hin und her. Er musste Rettung für seinen Bruder erwirken. Seine Frau betrachtete ihn mit Traurigkeit und Angst. Sie war kurz zuvor an Jesus Christus gläubig geworden. Ihr Herz schmerzte, als sie Tomasz in seiner Verzweiflung knien und beten sah.

Zurück in Deutschland betete Tomasz Frau um Erkenntnis für ihren Mann. Sie wusste, dass nur Gott seine Sicht auf die Religionen verändern konnte. Gemeinsam mit anderen Frauen traf sie sich zum Gebet.

Und dann geschah das Wunder. Während Tomasz Frau zu Hause für ihn betete, verstand er selbst, dass Jesus Christus die einzige Tür zum ewigen Leben ist.

Zwischen den lauten Maschinen an seinem Arbeitsplatz bete sein verwirrtes Herz leise: „Herr, zeig mir den Weg zu dir.“

Und Gott zeigte Tomasz den Weg. Nach und nach verstand er, dass der Weg zu Jesus Christus nicht an Reliquien und Heiligenverehrung entlangführte. So entfernte er das geweihte Wasser und die Heiligenstatuen aus  seinem Haus. Doch in seinem Herzen blieben Zweifel und Angst vor der Veränderung. Was war der richtige Weg?

So betete Tomasz erneut: „Herr, ich will dich nicht verlieren, bitte bleib da!“

Und Gott blieb da. So wie er es in seinem Wort versprochen hatte.

Als Tomasz am nächsten Tag den Rasen mähte führte ihn der Weg zu Jesus Christus zunächst zum Kompost. Beim Ausleeren des Rasenabfalls leuchtete ihm ein kleiner einlaminierter Zettel entgegen. Verwundert nahm Tomasz ihn auf und begann zu lesen:

„Du hast es geschafft! Du hast ihn, den Schlüssel, der die nächste Tür öffnet. Geh´ deinen Weg und suche nach tausend anderen Schlüsseln. Ich weiß, du wirst sie finden!“

Der Wind hatte einen Luftballon 100 km weit, bis auf sein Grundstück geweht. Es war das Motto einer Realschulabschlussfeier gewesen. An diesem Tag wurde es zu seinem Motto.

Tomasz hatte den Schlüssel schon lange in den Händen. 15 Lektionen lang hatte sich dieser Schlüssel in seinem Herzen geformt. Er musste ihn nur noch gebrauchen.

In seinem Zimmer entschied sich Tomasz bewusst und ohne Zweifel für die einzig wahre Tür, Jesus Christus. Indem er durch diese Tür schritt nahm er den stellvertretenden Opfertod von Jesus Christus im Glauben an. Eine unfassbare Freiheit erfüllte ihn. Er musste nichts weiter zu seiner Rettung beitragen als nur durch diese eine Tür zu treten. Endlich war Tomasz frei.

Aber der Kummer um seinen verstorbenen Bruder schmerzte noch. Tomasz hatte erkannt: Genauso wenig wie er seinen Bruder aus dem todbringenden Feuer in dessen Haus hatte retten können, konnte er ihn aus einem Fegefeuer retten, das gar nicht existierte. Diese Erkenntnis schmerzte. Aber nun wusste er, was er tun konnte. Eine neue Leidenschaft flammte nach und nach in ihm auf. Er begann den Menschen in seiner Umgebung von Gott und der wahren Tür zum Leben zu erzählen. Sein Leben sollte für die Menschen ab jetzt ein Schlüssel sein.

 

*(Name geändert)